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 Omperter

Erinnerungen

Die 50er + 60er Jahre

 

 

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Omperter
Erinnerungen 
Kuleopa, Sandgrube, Bier

 
- 2  -
Omperter Erinnerungen 
 Hein, Milch, Bulldog

 

- 3 -
Omperter
Erinnerungen 
 Nach- Kriegszeit, Bombe

 

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 Als Kriegsflüchtling  Erinnerungen

aus Klenz ins Ompert 

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  Die Eisenbahn im Ummer Erinnerungen

 

         


Als Kriegsflüchtling nach Viersen Ompert.

Februar. 2014

 Maria Hommes geb. Schulz

 

   *1925  +2019

 In diesem Jahr, auf den Weg zu Verwandten in Polen, hab ich noch einmal mit meiner Tochter Martina  einen Abstecher nach Klenz gemacht.

Ich verlebte die ersten 23 Jahre meines Lebens in Klenz und fühle mich meiner Heimat der Kindheit und Jugend mein Leben lang verbunden, auch wenn ich seit 1948 dort nicht mehr lebe und alle Nachbarn und Freunde mittlerweile verstorben oder aus Klenz weggezogen sind.
Als ich in Jördensdorf auf dem Friedhof war, wo ich meiner Tochter Martina das Grab meiner 1928 gestorbenen Mutter zeigte, da stand dort unter allem Gestrüpp an der Mauer doch tatsächlich noch das Kreuz von ihrem Grab.

Ich bin jetzt kurz vor mein 90. Geburtstag und mein Sohn Hans-Peter, der auch schon über sechzig ist, hat nun die Zeit meine Erinnerungen aufzuschreiben.
Er war 1954 das erste Mal in Klenz und lernte dort noch meine Großmutter und meinen Vater kennen.

Ich wurde am 27. Mai.1925 als Maria Schulz der Eheleute Stanislaus und Stanislawa Schulz in einem kleinen Dorf in Brandenburg geboren und zog dann als Kleinkind nach Klenz.
Meine Eltern hießen Stanislaus und Stanislawa geb. Samsunowska.
Über die Familie meiner Mutter, den Samsunowskas weiß ich nur wenig.
Sie kam wohl auch aus dem heutigen Polen.
In der damaligen Zeit gab es kein Polen. Als mein Vater Stanislaus 1899 in Drazek, einem kleinen 150 Seelen-Ort bei Krams in der Nähe von Konin geboren wurde, war dieses Gebiet zur Abwechselung mal wieder unter Russischer Herrschaft.
Hier war man weder Deutscher noch Pole, man war aus dem Warthegau. Auch in der Geburtsurkunde ist keine Nationalität verzeichnet.
Im 1. Weltkrieg marschierten die kaiserlichen Deutschen Truppen dort ein und der 15-jährige Stanislaus wurde nun wieder Deutscher Staatsbürger. Deshalb musste er dann auch als 18-jähriger sofort deutscher Soldat werden. Nachdem mein Vater ein Jahr beim Kommis war, war der Krieg auch schon verloren und  sein Heimatdorf war nicht mehr russisch sondern etwas neues Altes. Es lag jetzt in Polen, direkt an der Grenze zu Deutschland.
Stanislaus blieb in Deutschland, heiratete Stanislawa und suchte sich Arbeit in Commern auf einem Gut. Als mein Vater sich beruflich verbessern konnte, zog er auf das Gut der von Treuenfels nach Klenz bei Teterow.

Meine Mutter, Stanislawa starb im Alter von nur 29 Jahren an Kopfgrippe, so erzählte man mir das.
Seit der Heirat war meine Mutter bis zu ihrem Tod permanent schwanger gewesen. Drei Jungen und ein Mädchen überlebten. Die kleine Helena wurde kein Jahr alt. Zwischendurch hatte Stanislawa noch zwei Fehlgeburten. Verhüten kannte man auf dem Land nicht.  

Meine Großmutter Josefa, die Mutter von meiner Mutter, sagte nur schon mal: Wenn dein Vater nur die Hose an den Bettpfosten hing, dann war deine Mutter wieder schwanger!
Mir war aber nie so recht klar was damit gemeint war. Wieso ist meine Mutter schwanger, wenn Vater die Hose an den Bettpfosten gehangen hat? Das war ein Thema, da wurde nicht drüber gesprochen. Das war alles Tabu. 

Ich war gerade mal drei Jahre alt als meine Mutter starb und ich hatte noch zwei ältere und einen jüngeren  Brüder. An meine Mutter habe ich keinerlei Erinnerungen.

Das einzige was ich von ihr besitze ist das Hochzeitfoto meiner Eltern.

Als erstes kümmerte sich dann Oma Josefa, meine polnische Großmutter um die Kinderschar im Hause Schulz. Von ihr lernte ich auch die polnische Sprache. Da waren der älteste Alex, Peter mit Kinderlähmung, ich und Bruno der jüngste.  Wir Schulz wohnten Mitten in Klenz in einer gutseigenen Haushälfte mit Garten. Die beständige Begleiterin und liebevolle Ersatzmutter von uns Schulz Kindern blieb unsere Großmutter Josefa.

 Mein Vater Stanislaus heiratet irgendeine, die dann unsere Stiefmutter wurde. Sie war so, wie Stiefmütter im Allgemeinen beschrieben werden.
Sie bekamen von Stanislaus einen Sohn, Bernhard, der von ihr verwöhnt und verhätschelt wurde. Wir anderen Kinder waren nur Stiefkinder und konnten sehen wie wir rund kamen. Unsere Stiefmutter und unsere Großmutter Josefa kamen nicht miteinander aus und so zog Josefa schweren Herzens ins Nachbardorf zu ihrem Bruder. Oder anders gesagt unser Vater setzte sie vor die Tür, nachdem er das ewige Gezänk der Weiber in seinem Haus satt hatte. Nun hatte die böse Stiefmutter freie Bahn und nutzte dies weidlich aus. Vater sah nicht oder wollte auch vieles nicht sehen, was zuhause so abging. Ich wurde viele Male von der Stiefmutter beschuldigt, Sachen gestohlen zu haben. Belanglose wertlose Dinge.
Mein Vater bekam abends die Klagen unsere Stiefmutter über mich zu hören und jeder Widerspruch von mir wurde unterdrückt.
Die Bestrafung wurde mit dem Gürtel vollzogen.
Ab und zu kam ich auch für längere Zeit in den Kartoffelkeller, da ich nicht geständig war. Da war ich so um zehn Jahre alt.
Die Stiefmutter hatte für sich eine dicke wattierte Jacke genäht.
Ich kam dann dahinter, dass die Jacke sehr schwer war und dass die Stiefmutter dort Dinge eingenäht hatte.
Alex, unser Ältester, traute sich dann, den Vater darauf hinzuweisen, dass ich nicht die fehlenden Dinge entwendet habe und ich immer vom Vater ohne Grund bestraft würde. Unser Vater wollte es zuerst nicht wahr haben bis Alex die Jacke holte. Die war bereits so schwer, dass mein Vater wortlos sein Messer aus dem Stiefel zog und die Jacke aufschnitt.
Hervor kamen eine Menge Dinge die ich nach Angaben der Stiefmutter gestohlen hätte. Jetzt hing der Haussegen bei Schulz mächtig schief.
Mein Vater Stanislaus ging zu Großmutter Josefa, erklärte ihr alles und bat sie, doch wieder zurück zu kommen und den Haushalt zu übernehmen. Josefa, die sehr an uns Schulz Kindern hing, willigte freudig ein und übernahm nun endgültig die Herrschaft im Haus.
Es war ein Segen für uns Kinder. Die Stiefmutter hatte nun keinerlei Rechte mehr im Haus. Während mein Vater dann im Krieg war, nahm sie 1943 ihren Sohn Bernhard und verließ Klenz.
Man hat nie wieder etwas von ihr gehört.
Später wurde sie für tot erklärt.  

Es war ein bescheidenes Leben in Klenz. Das Haus war klein und hatte nur 3 Zimmer. Wir lebten dort zeitweise mit drei Erwachsenen und fünf Kindern. Bis zu meinem 15. Lebensjahr habe ich kein eigenes Bett besessen. Ich schlief mit meiner Großmutter zusammen in einem Bett. Dann mussten meine Brüder zur Wehrmacht und ich erhielt ein eigenes Bett. Es wurde auf einem mit Stroh gefüllten Sack geschlafen. Jedes Jahr im Herbst wurde das Stroh erneuert. Dafür war für alle im Dorf auf einem Stück Land eine besondere Sorte Getreide angebaut die ein gutes Stroh fürs Bett lieferte. Was es genau war hab ich vergessen.

Im Dorf Klenz habe ich eine ganz zufriedene Kindheit verbracht. Ich ging in die Dorfschule, die nur aus einer Klasse bestand. Wir waren so an die 35 Kinder in der Klasse. Nicht nur aus Klenz sondern auch die Kinder aus Gehmkendorf und Klein-Markow gingen hier in die Schule. Ein einziger Lehrer unterrichtete alle Kinder. Herr Lehrer Krüger wohnte auch in der Schule im Lehrerhaus.

Es war normal, das wir Kinder als wir alt genug waren auf dem Gut mithalfen.
Es war ein geordnetes Landleben.
Bei Krankheit der Kinder zahlte das Gut für seine Arbeiter den Arzt oder das Krankenhaus. Mein Bruder Peter war oft monatelang auf Kosten des Guts wegen seiner Kinderlähmung in Rostock im Krankenhaus.

Im Sommer kamen die Schnitter aus Polen, Bessarabien oder Jugoslawien. Junge Männer, die bei der Ernte des Getreides halfen. Die wohnten 3-4 Monate in der Schnitterkaserne und ich, die von Großmutter bereits einiges an polnisch gelernt hatte konnte mich nun gut mit den Schnittern unterhalten und lernte noch mehr polnisch.

 Die Politik war, soweit ich mich erinnere, kein großes Thema im Dorf und hatte auch keinen Einfluss auf mich. 
Das einzige woran ich mich erinnere ist, dass eine Adolf Hitler Eiche gepflanzt wurde. Dort wo der Dicke Gedenkstein lag und später der Konsum hingestellt wurde.
Ich war als der Zweite Weltkrieg begann ja auch erst 14 Jahre alt.
Im Sommer 1939  wurden von allen Gütern und auch bei uns in Klenz eine Menge Pferde von Soldaten abgeholt. Angeblich zu einem Manöver.
Ich erinnert mich noch gut, wie die riesige Herde von Pferden durch das Dorf getrieben wurde. Ein alter Nachbar meinte nur, dass sieht aus, als gibt es Krieg. Er sollte Recht behalten. Die Männer wurden Soldaten und die alten Männer, sowie die seit langem in Klenz lebenden Polen und die Frauen im Dorf übernahmen ihre Arbeit.

 Als der Krieg 1939 mit dem Einmarsch in Polen begann änderte sich alles. Mein Vater Stanislaus, der bereits im letzen Kriegsjahr 1917-18 des ersten Weltkriegs Soldat war, wurde sofort wieder eingezogen.
Er war jetzt bereits 40 Jahre alt. Aber man nahm extra ältere Soldaten, die bereits Erfahrung hatten und setzte diese mit den jungen Kriegsunerfahrenen Soldaten gemeinsam ein.
Das Infanterie-Regiment 202, dem mein Vater angehörte, wurde am 26. August 1939 als Regiment der 2. Welle in Rostock, Güstrow und Malchin aufgestellt. 2. Welle hieß, dass diese Soldaten nicht die Angriffe führten sondern als zweite Welle hinter den Kampftruppen herzogen.
Vor Kriegsbeginn wurde das Regiment bereits an die polnische Grenze verlegt. Mein Vater war als einfacher Schütze dabei und zog mit der Wehrmacht in Polen ein. Im Oktober erhielt er  dann bereits 10 Tage Urlaub. Als Grund steht in seinem Soldbuch: Kinder, Arbeiten.

 Bis zum Beginn des Westfeldzuges, also gegen Frankreich, lag sein Regiment als Reserve der Heeresgruppe B im Raum Siegburg. Im Rahmen des II. Armee Korps kämpfte mein Vater mit seinem Regiment 1940 in Nordluxemburg, um die Festung Maubeuge, an der Somme, bei Nantes und in der Vendée. In 1940 erhielt mein Vater sogar zweimal je 10 Tage Urlaub, um uns zu sehen. Danach blieb er mit seinem Regiment bis Mai 1941 als Besatzungstruppe in Westfrankreich.  

Als Sold gab es in der Woche für den Schützen Schulz 12 RM und 5 RM Frontzulage. Als er Gefreiter war, sogar 15 RM und 8 RM Frontzulage. Zusätzlich bekamen wir, seine Familie, seinen normalen Lohn gezahlt.

 1941 gab es am Anfang des Jahres direkt wieder 10 Tage Urlaub.
Als der Krieg gegen Russland begann, wurde Vater befördert. Zuerst zum Gefreiten und dann nach Russland. Sein Regiment nahm er komplett mit. Den Rest des Jahres musste er dann in Russland verbringen.
Hier wurde mein Vater innerhalb des Regiments zur Fahrkolonne versetzt. Er transportierte mit Pferdewagen den Nachschub durch die Landschaft. Von Ostpreußen aus drang das Regiment nach Nordrussland vor. Es stieß bis zum Illmensee vor und wurde im Winter im Kessel von Demjansk eingeschlossen.

 Erst nach 1 ½ Jahren im Sommer 1942 erhielt Vater wieder für 10 Tage Urlaub und bekam als besondere Aufmerksamkeit ein Fronturlauberpaket, was als Führergeschenk deklariert war und welches er in seinem Soldbuch zu quittieren hatte. Man überreichte ihm für den langen kalten Winter 1941-42 in Russland die Ostmedaille „Winterschlacht im Osten“.
Von den Landsern auch Gefrierfleisch-Orden genannt.

 Im Winter 1942-43, zog mein Vater immer noch mit Pferd und Wagen durch Russland hin und her, war es verdammt kalt und Vater erfror der linke Fuß. Er kam dann im Februar 1943 ins Lazarett, wo man ihm einen Zeh amputierte und dafür das Verwundeten-Abzeichen verlieh.
Bis zum September 1943 - also fast sechs Monate - verbrachte er in verschiedenen Lazaretten wie Warschau und zuletzt in Kronach. Dann konnte der Führer nicht mehr ohne ihn klar kommen und mein Vater kam wieder zu seiner alten Einheit zurück, erhielt Pferd und Wagen und zottelte weiter mit Nachschub, Munition und Verpflegung hinter der Front hin und her.

Im August 1944 wurde er dann versetzt ins sonnige Italien. Er durfte dort an der Gotenlinie mitbauen, die quer durch Oberitalien verlief und das Vordringen der Amerikaner aufhalten sollte. Es war ein reiner Stellungsausbau, wozu er dem Baupionierbatallion 788 zugewiesen wurde. Auch erhielt er hier seine Beförderung zum Unteroffizier. 1945 wurde er dann bei den Engländern Kriegsgefangener und nach Ägypten verbracht. Hier blieb er bis 1947 und wurde dann mit einem Schiff in seine Heimat nach Deutschland transportiert und dort in die Russische Zone entlassen.

 Klenz war ein Dorf, wo die Landwirtschaft das Leben bestimmte. Das Getreide musste geerntet werden und die Natur nahm keine Rücksicht darauf, das Krieg war. Mit dem Krieg gegen Polen wurden viele Nachbarn und Freunde als Soldaten eingezogen. Mein Vater und zwei meiner Brüder mussten auch Soldat werden. Nur mein Bruder Peter nicht, denn der war wegen der Kinderlähmung freigestellt und arbeitete als Schustern in Rostock.
Nun fehlten die Männer die die Arbeit machten. Aber nach kurzer Zeit des Krieges kamen polnische Kriegsgefangene die auf dem Gut zu arbeiten mussten. Dann auch einige Franzosen. Ich habe oft mit den Franzosen auf dem Feld gearbeitet. Einer, er hieß Bruno sprach akzentfrei Deutsch. Er kam aus dem Elsaß und war mit einer deutschen Frau verheiratet.
Die Gefangenen lebten in der großen Scheune und nicht in der Schnitterkaserne wie früher die Wanderarbeiter aus Polen und anderen Staaten. Mit den Leuten kamen wir gut zurecht. Später waren es russische Kriegsgefangene die die Arbeiten auf dem Gut verrichteten.

Da ich ab 1942 im Kindergarten in Teterow als Kindergärtnerin arbeitete und auch dort im oberen Stockwerk wohnte, hab ich nicht so den Überblick, wie die Arbeit mit den russischen Kriegsgefangenen war.
In dieser Zeit hatte ich auch einen ersten Freund. Herbert Voss hatte ich in Teterow kennen gelernt als er dort seinen Erholungsurlaub von 14 Tage verbrachte. Wir trafen uns einige Male und dann verschwand auch Herbert für immer im Krieg.

 Ich war 14 Jahre alt, als der Krieg mit Polen begann und mein Vater uns für lange sieben Jahre verließ. Als er wiederkam war ich 21 Jahre und erwachsen geworden.
Ich leistete im Krieg mein Pflichtjahr im Gut ab und arbeitete dann als Kindergärtnerin im Kindergarten in Teterow ab. Der steht immer noch und ist heute eine Galerie. Zum Ende des Krieges musste ich dann in der Munitionsfabrik von Primerwald bei Schwerin arbeiten, wo Granaten hergestellt wurden. Granaten drehen nannte man das. In unterirdischen bunkerähnlichen Anlagen wurde der Sprengstoff gewogen und musste genau aufs Gramm in die Kartusche gefüllt werden.
Dann wurde die Granate oben aufgedreht und fertig war ein Geschoß.

Ich hatte die Aufgabe mit russischen Frauen die Granatspitzen zu entfetten. Dafür hatten wir in einem Kleiderlager eine Unmenge von gebrauchtem Kleidungsstücke. Es war auch viel Kinderkleidung dabei die noch gut war. Erst nach dem Krieg wurde mir bekannt woher die Kleidung gekommen sein könnte.  Die russischen Frauen hatten auch Kinder die mit ihnen im Barackenlager lebten und sie sagten mir, dass sie für die Kinder fast nichts an Kleidung hätten und hier würden die noch recht guten Sachen zum entfetten benutzt. Da nur ich die Kleidung aus der Kleiderbaracke immer in die Fabrik holen durfte die in einem unterirdischen Bunkern war, hab ich dann ein paar Mal auf dem Weg durch den Wald einige Kindersachen dort für die Frauen versteckt wo sie bei ihrem Weg zu Baracke vorbeikamen. Ein älterer Unteroffizier der uns beaufsichtigte, nahm mich irgendwann zur Seite und sprach mich darauf an, er sagte mir, dass jemand ihm gesagt habe das ich Sachen wohl auf dem Weg in die Fabrik absichtlich verloren habe. Als ich ihm nur ansah und keine Antwort gab, sagte er weiter, er habe auch Kinder in meinem Alter und er hätte die Pflicht mich zu fragen. Wenn ich aber nichts dazu wüsste wäre das erledigt. Ich soll aber nichts mehr verlieren. Weder die russischen Frauen noch ich haben irgendwelche Strafe erhalten. Mit den russischen Frauen in der Munitionsfabrik habe ich mich gut verstanden. Die Frauen waren sehr dankbar, dass ich ihnen öfters Kleidung für die Kinder beschafft habe. Sie haben mir immer gesagt wie weit die Russen schon waren. Sie waren gut informiert obwohl sie nur hier in dem Fabriklagert lebten. Eine machte mir mal klar das sie sowas wie einen Radioempfänger haben würden. Sie hatten mir auch gesagt, dass ich keine Angst haben müsste wenn die Rote Armee kommen würde um sie zu befreien. Sie würden mich schützen. Aber da ich am Wochenende immer nach Klenz fuhr kamen die Russen ausgerechnet an einem Tag als ich in Klenz war.

Wie sich dort die befreiten Gefangenen verhalten haben, weiß ich nicht, da ich nach den ersten Vorfällen für viele Tage von meiner Großmutter versteckt wurde.

An einem Freitagabend Ende April kurz vor Kriegsende, als ich aus Schwerin zurück nach Klenz kam, war mein Bruder Alex dort, der als Funker bei den Soldaten war. Die Russen waren schon kurz vor Berlin und alle versuchten ihn zu überzeugen, dass er nicht zu seiner Truppe zurückgehen sollte, da alles bereits in Auflösung sei und der Krieg verloren ist. Er empfand das als Verrat an seinen Kameraden und sagte, dass er dies nicht machen könnte. Ich versuchte auch ihn zu überreden, dass er nicht zurück zur Truppe gehen solle, sie würde am Montag auch nicht mehr in die Munitionsfabrik fahren. Alex erklärte mir, dass das auch bei mir Fahnenflucht sei, da ich für die Arbeit vereidigt worden sei.
Alex habe selbst gesehen, was mit den Leuten geschehe, die sich von ihrer Truppe entfernt haben und von den Greifkommandos der Wehrmacht erwischt wurden.
Kurzer Prozess. An die Wand gestellt und sofort erschossen.
Das gleiche haben die auch mit Arbeitern gemacht, die nicht in die Fabrik gegangen seien. Am nächsten Tag stieg Alex in den Zug Richtung Berlin, um zu seiner Einheit zu kommen und galt seitdem als vermisst.
Ich bin am Montag nicht mehr zur Munitionsfabrik gefahren.

 Das Gerücht, dass die Russen kommen, verbreitete sich bereits einige Tage vorher. Aber nichts Genaues war zu erfahren. Dann, ich meine es war der 1. Mai genau zur Mittagszeit um 12 Uhr rumpelten 3 Panzer langsam durch Klenz. Ein paar Soldaten liefen neben und hinter den Panzern und nach einigen langen bangen Minuten waren die russischen Kampftruppen wieder auf der anderen Seite aus dem Dorf hinaus.
Das war also der Einmarsch der Russen in Klenz?
Die hatten uns Zivilisten überhaupt nicht besonders beachtet.
Da war wohl vieles nur Gräuelpropaganda, was da so alles an schrecklichen Geschichten kursierte.
Unsere Angst ließ nach und wir fühlten uns wieder sicherer, da in den nächsten Stunden rein gar nichts mehr passierte.
Dann kam die zweite größere Gruppe von verlottert aussehenden russischen Soldaten mit kleinen Pferdewagen, die den Nachschub hinter den Kampftruppen herfuhren.
Diese waren ganz anders als die Kampftruppen. Ohne Disziplin und ohne Vorgesetze, die sie zurückhielten, drangen sie in unsere Häuser in Klenz ein. Sie nahmen alles, was ihnen gefiel, mit.
Sie drangen zu viert in unser Haus ein, wo ich mit meiner Großmutter Josefa in der Küche saß. Sie durchsuchten das Haus und auch den Dachboden, wo sie nur eine Schlachtbank fanden. Einer hielt dann Oma Josefa fest und die anderen drei zerrten mich auf den Dachboden.
Dies geschah nicht nur in unserem Haus in Klenz. Es erging vielen Mädchen und Frauen in Klenz so. Nie haben wir über das erlebte miteinander gesprochen, es sollte nicht geschehen sein. Jede von uns schleppte ihre Qualen mit sich und redete Jahrzehnte nicht darüber.
Bei mir hat das Schweigen über 50 Jahre gedauert, bis ich es irgendwann meinen Kindern erzählte. Auch mein Mann Hans hat es nie erfahren.
Mein Sohn Hans-Peter fragte mich einmal, ob Vater dies wüsste. Weshalb sollte ich es ihm erzählen? Er hat mir auch nie ein Wort darüber gesagt wie und wo er sein Bein verloren hatte. Weshalb sollte ich ihm das mit den Russen erzählen?

Ich wurde mit meinen Freundinnen Anni und Christel für die nächsten 14 Tage in einem kleinen Kartoffelkeller versteckt, wo nur eine winzige Luke hineinführte und die mit einem Teppich verdeckt war, wo Tisch und Stühle drauf standen. Noch nach Tagen kamen Russen ins Haus und suchten nach Mädchen und Frauen. Oma Josefa hatte aber alle Kleider und alles was darauf hinweisen konnte das hier außer sie noch ich lebte außer Haus versteckt.
Sie tappten mit ihren schweren Stiefel über die Einstiegsluke und wir kamen fast um vor Angst entdeckt zu werden und den Russen in die Hände zu fallen. Aus den umliegenden Dörfern hatten die russischen Soldaten viele Mädchen geholt und zu einem Siegesfest, das mit einer Menge Alkohol in einer Scheune im Nachbardorf Jördendorf „gefeiert“ wurde, verschleppt. Mehrere Mädchen und Frauen haben dieses Fest nicht überlebt, einige danach Selbstmord begangen, da sie mit dem Erlebten nicht weiterleben konnten. Es sollen 300 bis 400 Tote gegeben haben in Teterow und Umgebung.

 Nach zwei Wochen ließ der Terror nach und  die Soldaten zogen bis auf eine kleine Gruppe ab. Dann erhielt das Dorf einen russischen Offizier als Kommandanten. Er sorgte für Ordnung und hatte seine drei Soldaten, die noch mit ihm im Dorf verblieben, fest im Griff. Die Frauen konnten sich wieder sicher fühlen. Er teilte die Leute mit Hilfe der alten Gutsarbeiter nach ihren Fähigkeiten zur Arbeit in Stall und Feld ein.
Man konnte mit ihm reden, mit Problemen zu ihm kommen und er bemühte sich wieder Normalität in Klenz einkehren zu lassen. Ich fand, dass er der einzige anständige russischer Mann war den ich je kennen gelernt habe.

 Ich arbeitete wie alle anderen auf dem Feld, wo wir alle von Boris, einem jungen Russen mit einem Gewehr bewacht wurden. Nicht damit wir nicht wegliefen, sondern er sollte darauf achten, dass wir arbeiteten.
Einmal wurde unser Russe von einem Hund aus dem Dorf dauernd angebellt. Als der Hund sich nicht verscheuchen ließ hat der Soldat sein Gewehr genommen und den Hund erschossen. Als der Kommandant den Schuss hörte, kam er angelaufen und beschimpfte den Soldaten wütend vor uns Frauen die wir alles ängstlich beobachtet hatten. Der Kommandant schlug Boris dann mehrmals ins Gesicht bis er blutend zusammenbrach. Danach haben die Soldaten nie mehr ihr Gewehr benutzt.

 Ich wurde noch nach Jahren von Angstzuständen gepackt wenn ich russischen Soldaten begegnete. Dies war auch der Grund, weshalb ich so schnell wie möglich in die Westzone wollte. Nur weg von allem russischem. Ich wollte jedoch solange bei Oma Josefa bleiben, bis Vater oder Alex wieder nach Hause käme.

 Mein Bruder Alex? Keiner wusste was aus ihm geworden war.
Bruno war bei der Marine gewesen und in Schleswigholstein bei den Engländern als Kriegsgefangener.
Peter lebte in Rostock und arbeitete dort als Schuster. Vom Vater Stanislaus hatte ich und meine Großmutter auch seit dem Kriegsende nichts mehr gehört. Ob sie noch lebten Vater und der Bruder oder ob sie tot waren.
Wir wusste es nicht.
Damit meine liebe alte Großmutter nicht alleine war, versprach ich ihr zu bleiben bis Vater oder Alex, was wir beide hofften, zurückkommen würde.
Ich musste jetzt auf dem nun verstaatlich Gut Klenz arbeiten. Der Gutsherr war seit 1931 tot und seine Frau am Ende des Krieges in den Westen geflüchtet. Im Frühjahr 1947, also zwei Jahre nach Kriegende pflanzte ich mit anderen in der Nähe des Dorfes Kartoffeln auf einem großen Feld. Ein Junge kam aus Klenz gelaufen und rief immer wieder meinen Namen und was noch wichtiger war, er rief mir zu: Maria, dein Vater ist wieder zu Hause.
Mit einem Schiff aus Ägypten durchs Mittelmehr bis nach Deutschland und dann entlassen aus der englischer Kriegsgefangenschaft war er wieder in Klenz.

 Mein Vater war jetzt 48 Jahre, einer seiner Söhne vermisst, seine Frau mit ihrem gemeinsamen Sohn verschwunden und seine Tochter wollte nun mit 22 Jahren so schnell wie möglich in den Westen, wo auch bereits sein beiden weiteren Söhne Peter und Bruno waren.
Als er in den Krieg ziehen musste hatte mein Vater eine Familie, jetzt hatte er nur noch ein leeres Haus ohne Kinder, wo auch noch eine Flüchtlingsfamilie zwangsweise seit einem Jahr einquartiert war.

 Irgendwann 1946 standen diese Flüchtlinge, die aus dem Sudetenland, was jetzt zur Tschechoslowakei gehörte, verjagt worden waren vor der Tür.
Flüchtlinge gab es in der Zeit so viele und sie wurden von denen, die noch Haus und Heimat hatten, nicht gerade freundlich aufgenommen. Flüchtlinge waren Menschen zweiter Klasse und die Kriegsschuld, die sie mit dem Verlust von Hab und Gut zu zahlen hatten wollte man nicht mit ihnen teilen. Sie hatten eben Pech gehabt. Habenichtse mit denen man nicht freiwillig das Wenige teilen wollte, sondern denen man etwas von dem Wenigen abgeben musste.
Ich sollte auch bald ein Flüchtling werden auf der Flucht vor dem Erlittenen und getrieben von der immer noch vorhandenen Angst.

Die junge Flüchtlingsfrau stand irgendwann vor der Tür, zeigte Oma einen Zettel vom Kommandanten und erklärte Oma Josefa, dass sie ihr und ihren drei Kindern ein Zimmer auf Weisung des Ortkommandanten zu geben habe.
Das passte Oma Josefa aber überhaupt nicht, da sie ja täglich mit der Rückkehr von Stanislaus und Alex aus dem Krieg hoffte.
Sie knallte einfach die Tür zu und ließ die Familie draußen auf ihren Bündeln sitzen. Erst ich konnte dann Oma Josefa davon überzeugen, dass sie die Flüchtlingsfamilie Weiß aufnehmen müsse. Also zog Frau Weiß mit ihren beiden Söhnen Peter und Rudi sowie dem Mädchen Hanne in eins der Zimmer ein.

 1947 kam nun mein Vater nach Hause, seine Frau war weg, eine neue junge Frau im Haus, Vater war ein praktisch verlangter Mensch, weshalb also nicht mit ihr den Neuanfang wagen.
Er wurde wieder Schweinemeister auf der Landwirtschaftlichen-Produktions-Genossen­schaft in der nun russischen Zone.
Er hatte wieder eine Familie. Mit Maria Weiß, seiner neuen Frau, bekam er dann eine letzte Tochter Silvia. Es war sein siebtes eigenes Kind.
Die Kinder von Maria Weiß, Peter, Rudi und Hanne behandelte er wie seine eigenen Kinder. Für mich sind sie bis heute wie Geschwister.

Die Flucht

 Ich blieb noch zwei Monate, packte dann meinen Rucksack und verließ Klenz, meinen Vater, Oma Josefa und die Familie Weiß.
Die Zonengrenze war in dieser Zeit, 1947,  noch  recht durchlässig.
Ich hat ein Ziel. Ich wollte als erstes nach Ülzen in die Lüneburger Heide, wo Bruno in einem Hotel arbeitete. Auch der Bruder meiner 15 jährigen Freundin Christel war in Ülzen gestrandet. Also beschlossen wir beide gemeinsam den Weg in den Westen zu wagen. Das Wenige, was wir mitnehmen konnten und überhaupt besaßen, passte in einen Rucksack.

Mit der überfüllten Eisenbahn fuhren wir in Richtung Grenze.
Im Zug quetschten wir uns mit vielen anderen im Gang und es wurden Erfahrungen ausgetauscht, wie man am Besten über die Grenze kommen könne.
Ein junger Mann in unserem Alter sagte, dass er mich mitnehmen würde wenn ich auch an der zweiten Station vor der Grenze aussteigen würde. Es wären dann ein paar Stunden Fußweg durch einen Wald, aber das wäre ein sicherer Weg.
Ich bestand darauf, dass auch Christel mitdürfe, allein wolle ich auf keinen Fall mitgehen. So stiegen wir drei zwei Stationen vor der Grenze aus und der junge Mann hatte nicht zuviel versprochen. Er kannte die Wege, ohne auf russische Grenzposten zu stoßen, die sie alle sicher in die Westzone brachten.
Er ging diesen Weg jede Woche mehrmals, um vergrabenes Familiensilber und Wertgegenstände von dem ehemaligen Gut der Eltern in die Westzone zu schmuggeln. In der Westzone angekommen setzen wir beiden Mädchen uns in einen Zug und kamen spät am Abend in Ülzen an.
Wir suchten in der nur spärlich beleuchteten Stadt nach dem Haus wo Bruno wohnte. Christel musste mal für kleine Mädchen, gab mir ihren Rucksack und verschwand hinter einer Häuserecke. Es war aber eine Ruine und sie stürzte in einen Kellerschacht. Es brauchte fast zwei Stunden bis ich sie aus diesem wieder an die Oberfläche gerettet hatte. Sie hatte außer ein paar Hautabschürfungen keine schwerwiegenden Verletzungen erlitten.
Zerrissen und verdreckt fanden wir endlich das Haus, wo Bruno ein winziges Zimmer hatte. Christel besuchte am nächsten Tag ihren Bruder und wollte nach einigen Tagen wieder zurück nach Klenz zu ihren Eltern. Bei Bruno konnte ich nicht bleiben, also reiste ich mit Christel erst mal nach Schleswig, wo mein Bruder Peter gestrandet war. Er arbeitete dort als Schuster. Peter war zwar durch seine Kinderlähmung etwas gehbehindert aber sein Leben als Krüppel hatte ihn auch selbstbewusst gemacht. Er nahm sich der beiden Mädchen an und ging mit ihnen ohne Probleme wieder über die Grenze in die Ostzone. Er konnte dadurch auch seinen Vater und seine Großmutter wieder sehen. Für ihn war es das letzte Mal, dass er sie sah und dass er in Klenz war. Ich sah meinen Vater und Oma erst 7 Jahre später wieder, als ich das erste Mal mit meinem Sohn Hans-Peter in die Ostzone reisen durfte.
Mit mir fuhr er dann wieder auf Schleichwegen in den Westen nach Schleswig.

 Ich meldete mich dort als Flüchtling an und wurde in ein Auffanglager nach Lübeck, was direkt an der Grenze zur Ostzone lag, geschickt. Ich hatte dort jedoch immer die Angst, dass die Russen irgendwann auch dort sein würden und wollte weiter in den Westen. Als ein Transport nach Wipperführt bei Wuppertal ging, meldete ich mich sofort freiwillig. Das Leben in den Lagern war überall gleich. Enge Baracken oder alte Kasernen, die immer bis auf dem letzen Platz in jedem Zimmer gefüllt waren, mäßiges Essen aber immerhin soviel, dass man nicht zu hungern brauchte.

 In Wipperführt bekam ich von der Arbeitsvermittlung auch schnell eine Adresse in Bracht, in der Nähe von Kaldenkirchen, wo ein Bauer jemanden suchte, der auf seinem Hof mitarbeite. Ich meldete mich und dachte an eine Arbeit in Küche und Haus. Ich sollte aber eine polnische Magd bei der Stallarbeit und beim Melken ersetzen, die im Krieg auf den Hof gekommen war und nicht zurück nach Polen wollte. Ich blieb nur einen Tag dort, da ich erkannte, dass es wenig Zukunft bot, auf einem kleinen Bauernhof zu arbeiten und dazu noch als Kuhmagd.
Auf der Rückfahrt im Zug lernte ich dann eine Frau aus Viersen kennen. Die gab mir eine Adresse in Viersen, wo ich mich doch mal mit ihrer Empfehlung als Hausmädchen vorstellen solle.
 Nun war ich dort angekommen wo ich in Zukunft leben, meinen Mann Hans kennenlernen und eine Familie gründen sollte. In Viersen und dort fand ich mein zuhause im Ompert.

Ich stellte mich bei der Familie vor. Familie Kremer hatte zwei Kinder und ich übernahm dort die Haushaltsarbeiten. Der Mann verdiente gutes Geld auf dem Schwarzmarkt mit dem Verkauf von Zigaretten. Zigaretten waren ein wichtiges Tauschobjekt. So ein richtiger Raucher braucht seine Kippen, um sich langsam zu vergiften, sonst  fühlt er sich nicht wohl. Da Zigaretten knapp waren, waren sie entsprechend begehrt und teuer. Als dann 1948 die Währungsreform stattfand, die Reichsmark wurde abgeschafft und die DM eingeführt, verschwand der Schwarzmarkt von heute auf morgen und nicht die Zigarette sondern die DM wurde die begehrte gültige Währung.
Auch für den Kriegsgewinnler Kremer war das Leben in Saus und Braus vorbei. Eine Haushaltshilfe konnte man sich nicht mehr leisten und ich wurde entlassen. Ich fand schnell wieder einen Job in einer Metzgerei, aber der lag mir nicht besonders und so ging ich in Stellung bei Frau Krone, einer Witwe mit großem Haus.

 Frau Krone war eine geborene Greefs, die Familie besaß einige der größten Webereien in Viersen. Als ich bei Frau Krone im Dienst stand, das war in der schönen alte Villa an der Josefkirche gegenüber von der Schule, fiel es Frau Kronen auf, dass das junge hübsche Hausmädchen nicht ausging. Alle hatten bereits den neuen Kinofilm gesehen und sprachen darüber, nur ich nicht. Die Damen im Haus sprachen mich darauf an und ich erklärte es ihnen. Die Kinokarte koste 50 Pfennig und das war mir bei einem Monatslohn von 50 DM dann doch zu teuer. Ich war damals bereits sparsam, so wie ihr mich bis heute kennt. Frau Krone gab mir 50 Pfennig und sagte zu mir, dass ich jede Woche die 50 Pfennig extra bekäme, aber nur wenn ich auch dafür ins Kino ginge. Das Kino war früher der Treffpunkt für die jungen Leute. Nur zur Erinnerung, es gab damals noch kein Fernsehen. Also zog ich mein bestes Kleid an und ging los zum Nationalkino, wo der neuste Film der Woche zu sehen war. Das Kino war in der Heyerstraße, so im dritten Haus links. Aber wie es auch heute manchmal ist, war der Film bereits ausverkauft und der Vorfilm, Fox tönende Wochenschau, lief bereits. Die Kartenverkäuferin meinte, dass ich noch etwas warten solle, da hier noch etliche vorbestellte Karten lägen die nicht abgeholt wären. Wenn bis Beginn des Filmes noch welche da wären, könnte ich noch eine bekommen. Es kamen dann noch einige und holten ihre Karten ab und gingen ins Kino. Auch ein junger Mann mit Anzug und Hut holte seine Karten ab, ging aber noch nicht ins Kino. Die Kartenverkäuferin rief mir zu, dass leider alle Karten abgeholt worden seien. Ich hatte zwar jetzt die 50 Pfennig aber konnte keine Karte kaufen. Also wollte ich nach Hause gehen.

Da sprach der wartende junge Mann mich an und erklärte mir, dass er auf seinen Freund warte, der aber wohl nicht kommt und ob ich die Karte haben möchte und mit ihm ins Kino gehen würde. Mit schnellem Blick erkannte ich, dass er eine Karte für die besseren Ränge hatte, die horrende 75 Pfennig kostet. Ich habe nur 50 Pfennig und kann mir diese teurere Karte leider nicht leisten. Hans meinte dazu nur, dass er die Karte auch nicht verkaufen wolle sondern, dass er mich gerne einladen würde. Da mir der Typ nicht unsympathisch war, nahm ich die Einladung von Hans an. Es war wohl die beste Investition, die Hans in seinem Leben gemacht hat. Ich putzte, kochte und verwaltete unser gemeinsames Geld dann bis zu seinem Tod mehr als 60 Jahre lang.
Ich zerrte ihn von seinem Nachkriegsalkoholismus und brachte ihm bei, dass man um eine Familie zu gründen, das Geld zusammen­zuhalten und Verantwortung zu übernehmen habe. Hans brauchte mich, weil er zwar die Möglichkeiten hatte Geld zu verdienen, aber nicht die Richtung wusste in der er sein Leben gestalten solle. Das übernahm dann ich.

 So begann dann ein neuer Lebensabschnitt für uns zwei, für Hans und mich. Das er nur ein Bein hatte fiel bei Hans nicht auf, da er schon immer eine gute Prothese trug.
Hans als gelernter Schreiner hatte schnell herausgefunden, dass er mit seinem Beruf auch nebenbei eine gute Mark machen konnte. Spielzeug für Kinder gab es fast nicht zu kaufen, da es wichtigeres gab, was die Firmen fürs Überleben herstellen mussten. Also fertigte Hans Spielzeug aus Holz und verkaufte dies mit Hilfe seiner Schwester Wilhelmine kurz Mine genannt.
Wenn wir eine Zukunft haben wollen, dann muss auch mal für unsere Zukunft gespart werden. Hans verdiente gut, aber er konnte mit dem Geld nicht haushalten. Ich machte ihm klar, dass ich ab jetzt die Haushaltführung übernehmen würde. Hans willigte ein und ich erledigt ab jetzt alles was Geld und Haushalt betraf.

 Da gab es dann die ersten Reibereien in der Familie. Mine, die kleinere Schwester von Hans lebte verwöhnt von ihrem Bruder und half ihm beim Verkauf des Holzspielzeugs wofür sie einen Anteil erhielt. Das Geld, dachte ich können wir auch selbst verdienen und Mine wurde nicht mehr beteiligt. Das störte den Familienfrieden der Hommes-Sippe. Da tauchte ich, ein weibliches Wesen von irgendwoher auf und war auf einmal wichtiger als Mutter und Schwestern. Besonders Mine hat das gestört, da für sie der große Bruder Hans die wichtigste männliche Bezugsperson war. Sie konnte es nie gut mit mir, da sie immer der Meinung war, dass ich ihr etwas genommen habe.
Mine war damals auch erst 14 Jahre und hatte mit 10 Jahren Ihren Vater durch Bomben verloren. Sie hatte eine unbewältigte Vergangenheit durch den frühen plötzlichen Tod des Vaters, wie auch ich unter der Besatzung der Russen, Hans mit seinen nie ausgesprochenen Kriegserlebnissen, Anna die schwere Verletzungen beim Bombenangriff erlitt oder Oma Katharina, die ihren Mann verlor und deren Sohn, der kriegsbeschädigt sein Leben meistern sollte. Keine von uns Frauen verlor darüber ein Wort, jede litt für sich alleine.

 Familie Hommes lebte in ihrer vier Zimmer Wohnung auf dem Omperter Weg. Opa Peter Hommes war im März 1944 bei einem Bombenangriff auf Mönchengladbach tödlich getroffen worden. Seine Tochter Anna wurde schwer verletzt.
Sie hatten beide Hans, der zu seinem ersten Kriegseinsatz musste, zum Bahnhof gebracht. Der Luftangriff der englischen Flieger kam bevor der Zug abfuhr. Hans wurde aus dem Zug geholt und durfte am Begräbnis seines Vaters teilnehmen. Dann musste auch er in den Krieg. Er hat bis heute nie über das damals Erlebte gesprochen. Wenn man ihn nach irgendetwas, was mit dieser Zeit zu tun hatte, befragte, erhielt man meist eine unwirsche nichts sagende Antwort. Eine weitere Frage traute man sich dann schon nicht mehr zu stellen.
Oma Katharina war mit 45 Jahren eine Witwe mit vier Kindern. Ihre Tochter Anna war bereits mit Walter, einem Wiener verheiratet und lebte nicht mehr im Ompert. Als Hans und ich 1950 heirateten, da wurde es noch etwas enger im Hause Hommes. Aber da kam mein Bruder Bruno zu Besuch, fand gefallen an Hommes Maria, also Hans Schwester und heiratete sie. So wurde aus Maria Hommes eine Maria Schulz und aus mir Maria Hommes.

Bruno und Maria suchten sich eine eigene Bleibe in Beberich und es gab wieder etwas mehr Platz in Oma Katharinas Wohnung.
Musste auch sein, denn Hans und ich hatten uns Nachwuchs bestellt. Im Juli kam Hans-Peter auf die Welt und beanspruchte auch etwas Platz für sich. Die Namensgebung war bei den Hommes immer einfach. War es ein Sohn, erhielt er den Namen Johannes, Hans, Jan oder Peter. Auch wenn man jetzt zusammenrücken musste, brachte Pitterke wie Oma Hommes Ihren Enkel liebevoll nannte, die Familie auch wieder näher. Mine wollte unbedingt Patentante werden und Oma passte auf Pitterken auf, wenn ich bei Kaisers-Kaffee Osterhasen oder Weihnachtsmänner herstellte.
Da Hans und ich eine Ehe eingegangen waren, hatten wir auch ein Ehebett gekauft. In unser kleines Schlafzimmer passte aber nicht alles hinein. Also wurde das halbe Ehebett aufgestellt, daneben ein kleiner Schrank auf dem das große Radio Marke Graetz Melodia mit magischem Auge stand und auf der anderen Seite das Gitterbettchen für Hans-Peter. Es stand direkt unter dem Fenster. Auch Hans-Peter erinnert sich noch an unser erstes Schlafzimmer. Seine Erinnerungen an diese Zeit sind die angenehme leise Musik und die großen dunkelgelben Lichtkugeln, die aus den Lüftungslöchern der Rückwand des Radios über sein Bett gegen die Wand geworfen wurden. Als er sich aufstellen konnte in seinem Bettchen im Winter, bedeckten Eisblumen das ganze Fenster und wenn er seine kleine Hand dagegen drückte und das Eis schmolz, konnte wir etwas verschwommen den Fliederbaum bei Bohnen sehen. Es war kalt im Schlafzimmer, denn eine Heizung gab es bei uns nicht. In der Küche glühten über Nacht einige Brikett im alten Dinsing Kohleofen und die Tür zum Schlafzimmer war einen Spalt offen, damit es etwas beschlägt, wie Oma Katharina das nannte. Sie war eine ergeben dem Leben dienende.
Ich habe meine Schwiegermutter in Erinnerung, wie sie auf einem schwarzem Krückstock gestützt am Herd, in einem blauen Kleid mit geblümter Schürze stehend, etwas Leckeres für uns kochte.
Oder in ihrem alten Sessel in der Küche sitzend, die Brille nach vorn auf die Nase gezogen die Rheinische Post oder in Gedanken versunken in ihrem kleinen Gebetbuch las.

 Bei Kaisers Kaffee in der Schokoladenabteilung verdiente ich als Wochenlohn 32 DM.
Meine Schwiegermutter wohnte zeitweise bei Anna und Walter in Viersen Raser und versorgte deren beide Kinder Roswitha und Dieter. Jeden Morgen standen wir um 6 Uhr auf. Ich zog Hans-Peter an und setzte ihn in das kleine Korbsesselchen am Fahrradlenker. Eine gute halbe Stunde dauerte die Fahrradtour bei Sonne, Regen oder Schnee bis ins Raser. Dort wurde er dann wieder in ein Bettchen abgelegt und bis zum Abend von Oma versorgt. Nachdem die Fabriksirene um 17 Uhr bei Kaisers den Feierabend verkündete fuhr ich ihn wieder abholen.

 

Und in Klenz

 Die Familie Schulz und Oma Josefa warteten noch lange auf den als vermisst  angegebenen Sohn, Bruder und Enkel Alex, immer in der Hoffnung, dass er in russischer Kriegsgefangenschaft sei.
Erst als 1956 durch den Einsatz Adenauers die letzten Kriegsgefangenen nach elf Jahren Zwangsarbeit aus den Kohlengruben Sibiriens zurückgekehrt und er nicht dabei war, schwand die letzte Hoffnung, dass Alex doch noch lebe.

Erst im Jahr 2008 stellte mein Sohn Hans-Peter nach einer Anfrage an eine Bundesstelle für Wehrmachtsangehörige fest, dass Alex in einem Britischen Kriegsgefangenenlager in Lüneburg im Juli 1945 entlassen worden war.
Er hat wohl dann versucht in die Ostzone zu gelangen. Ob er von den Russen dabei erschossen oder nach Sibirien verschickt wurde und dort umgekommen ist, Bleibt unklar.
Nur eine Karte von einem Kameraden im Herbst 1945 erreichte mich in Klenz.
Er fragte nur kurz an: Alex ich bin gut nach Hause gekommen, Du auch? Damals wusste keiner von uns diese Karte zu deuten.

 

Das Dorf Klenz 1930 - 1948

Zu Jördenstorf gehören die Ortsteile Gehmkendorf, Klein Markow, Klein Wüstenfelde, Schrödershof und Klenz. 
In Jördensdorf gab es für uns Klenzer alles was wir so benötigten. Mehrere Bäckereien, Gaststätte, Fahrradladen, Schuster, Textilienladen, Friseur, Friedhof und eine Kirche.

Die Kirche von Jördendorf war eine evangelische aber am Sonntagnachmittag um 18 Uhr wurde dort vom Pastor aus Teterow eine Katholische Messe abgehalten.

Es war immer zu der Zeit wo ich als junges Mädchen zum Tanzsaal hätte gehen können.
Wir Schulz, mein Vater kam aus dem Warthegau und war wie meine polnische Mutter katholisch, besuchten jeden Sonntag die Messe in Jördendorf, da es für uns keine erreichbare katholische Kirche gab. Die nächste katholische Kirche war in Marienhof oder Teterow

 Das Gut Klenz:
 
1314 erstmals erwähnt, befand es sich über 400 Jahre im Besitz der Levetzow,
seit Ende des 18. Jahrhunderts der Hahn auf Remplin.
Im Jahr 1816 kaufte der Geheime Finanzrat Israel Jacobsen das Gut Klenz, Gehmkendorf und Klein Markow. 1872 erwarb Carl von Treuenfels das Gut, dessen Familie es bis 1945 hielt. Carl Friedrich Georg von Treuenfels 
(*
12. Juli 1863 in Neuhof bei Wittenburg; † 22. Juni 1931 in Klenz)
war Gutsbesitzer und Mitglied des 
Deutschen Reichstags.

Man sagte ihm nach, dass er seine Klenzer gut behandelte, sich auch um deren medizinische Versorgung kümmerte und die Kosten für Arzt und Krankenhaus seiner Arbeiter bezahlte. Als von Treuenfels 1931 starb sprach man darüber, dass er Freimauer gewesen sei und Selbstmord begangen habe. Was davon wahr ist weiß ich nicht. Es wurde nur so darüber geredet.

Die gnädige Frau, so wollte sie immer angesprochen werden, sie hatte einen Hamburger geheiratet und hieß nun nicht mehr von Treuenfels sondern Frau Walter. Sie kümmerte sich nicht um die Landwirtschaft und ihr neuer Mann war zumeist in Hamburg wo er seinen Geschäften nachging. Das Gut wurde vom Inspektor Rathke verwalte

Das Leben im Gut- und Dorf Klenz

Getreide
Es wurden alle gängigen Sorten wie Hafer, Weizen, Gerste und Roggen angebaut. Zum Dreschen hatten wir auf dem Gut eine eigene große hölzerne Dreschmaschine. Sie wurde durch einen der beiden Bulldogs über einen langen breiten Riemen angetrieben.
An der Straße nach Gehmkendorf stand die Mühle von Klenz wo das Getreide gemahlen wurde. Es war eine Windmühle.

Im Herbst kamen dann große LKWs mit Anhänger die Mehl oder auch das ungemahlene Korn abholten.

 Rüben
Als Viehfutter wurden die Runkelrüben angebaut und in Mieten über Winter gelagert.
Zuckerrüben bauten wir ebenfalls an. Im Gesindehaus war eine große Waschküche in der wurde dann Rübenkraut daraus gekocht. Rübenkraut war auch für uns Kinder der übliche morgendliche Brotaufstrich.

 Schafe
Es gab zwei Herden die jeweils von einem Schäfer betreut wurden.
Jede Herde waren so um die 200 – 300 Tiere.

 Kühe
hatte wir auf dem Gut eine Menge. Es waren sicherlich an die 200 Stück. Eine Melkerin hatte jeweils 12 Kühe zu melken am frühen Morgen und am Abend. Die Milch wurde dann in einer Zentrifuge bearbeitet und die Sahne nach Jördensdorf zur Molkerei geliefert. Die Magermilch wurde teilweise bei der Schweinzucht verfüttert.

 Schweine
Mein Vater betreute als Schweinemeister die Schweine. Hauptsächlich hatten wir Sauen und mästeten nur einige Schweine für den Eigenverbrauch. Die jungen Ferkel wurden, wenn sie 6 Wochen alt waren, an die Bauern im Umland verkauft die sie dann mästeten. Mein Vater erhielt für jedes verkaufte Ferkel ein Schwanzgeld von 50 Pfennige. Die Bauern kauften zumeist so acht bis zehn Ferkel wenn sie kamen.

 Pferde
Auf dem Gut waren 15 Gespanne im Einsatz mit je vier Pferden für die Feldarbeit.
An der Stellmacherei war ein Stall für die Reitpferde die bei uns gezüchtet wurden.
Das waren so um die 20 Pferde. Sie wurden zum reiten benutzt.

 Traktoren
Bis Mitte der 30er Jahre wurde alles nur mit Pferden bewirtschaftet. Dann bekamen wir zwei Lanz Bulldogs mit denen gepflügt und die schweren Anhänger gezogen wurden.
Die Gebrüder Werner waren bei uns die Traktorfahrer.

 Tagelöhner.
Alle die in Klenz lebten arbeiteten auch auf dem Gut. Nur wenige waren fest angestellt wie mein Vater der die Schweinezucht leitete.
Da war noch fest angestellt der Schweizer Harmann der die Kühe betreute sowie Wolski und Schröder die für die Pferde verantwortlich waren. 
Die meisten waren Tagelöhner.
Sie erhielten alle 14 Tage nur einen geringen Lohn von ca. 10 RM.
Hatten dafür aber eine oder zwei Kühe die mit den Kühen vom Gut gefüttert wurden aber von dem Besitzern selbst gemolken und gepflegt wurden. Die Kühe hatten ein Nummer am Ohr um sie erkennen wem sie gehörten.
Auch hatten die Tagelöhner ein Stück Ackerland zur eigenen Bewirtschaftung. Das waren meistens so 10 bis 15 Reihen Kartoffel, Rüben usw. die 100 bis 150 Meter lang waren.

 Dorfstraße
Die Dorfstraße bis zum Schloss, wie wir das Gutshaus nannten, war mit Kopfsteinen gepflastert. Auch die Wege zu den Ställen und bis zum Hofgarten.

Feste
Das Erntedankfest war unser Dorffest. In der Waschküche und dem Platz davor wurde dies gefeiert. Das Gut stiftete Bier für die Männer und Limonaden für alle. Einige im Dorf spielten ein Instrument und machten die Musik. Zumeist wurde nach einem Schifferklavier getanzt.

 Strom
Aus Richtung Gemkendorf kam der Strom über Holzmasten nach Klenz.
Wir haben für den Strom nichts bezahlen müssen und auch nicht für die Wohnung in der wir lebten wurde keine Miete bezahlt. Dies gehörte alles zum Lohn für Vater.
Die Tagelöhner mussten Miete und Strom bezahlen.

 Lohn
Jeden Samstagmittag ging ich für unsere Familie den Lohn beim Inspektor Rathke abholen. Rathke war der Verwalter des Gutes.
Er zahlte mir den Lohn für meinen Vater, meine Stiefmutter und für unsere Oma aus.

 Mein Vater erhielt als Schweinemeister jede Woche 32 RM als Lohn.
Dazu kam noch das Schwanzgeld, was ihm die Bauern zahlten die von ihm die Ferkel kauften. Er war nach dem Inspektor Rathke der bestbezahlte Landarbeiter.

Meine Stiefmutter bekam als Feldarbeiterin je nach Stunden so um die 18 – 20 RM

Die Arbeitszeit begann im Sommer um 7 und Arbeitsschluss war um 19 Uhr. Im Winter fing die Arbeit erst an wenn es hell wurde. Es gab sechs Arbeitstage. Auch der Samstag war ein normaler Arbeitstag.

 Oma arbeitete an den Wochentagen von 9-11 und 13:30 bis 17 Uhr in der Gärtnerei und bekam dafür 13 RM.
Sie konnte somit morgens sich um uns Kinder kümmern und mittags kochte Oma für alle das Mittagessen.

Donnerstags hat Oma Brot gebacken. Immer acht Brote für die ganze Woche. Pro Person im Haushalt ein Brot.

 Oma bekam ihr Geld für sich. Das andere Geld gab ich meinem Vater, der damit alles bezahlte was für den Haushalt notwendig war.

 Wenn ich in den Ferien bei der Ernte half, was für uns Kinder normal war, dann bekam ich für jede Stunde 10 Pfennig.

Das war dann eine Mark am Tag.
Ein Lutscher kostete mir 2 Pfennige und ein Brötchen in Jördendorf beim Bäcker 3 Pfennige.
Taschengeld bekamen wir Kinder nicht.
Im Sommer kam auch schon mal der Eismann nach Klenz.
Er hatte an seinem Fahrrad zwei gekühlte Behälter woraus er uns Eis verkaufte.
Ich habe mir dann schnell ein Ei aus unserem Hühnerstall geholt und es gegen ein Eis getauscht.


Zusätzlich erhielten wir noch Deputat.
Ich ging Samstags zum alten Harning der mir nach einer Liste dann Erbsen, Linssen, Salz, Mehl und was gerade so zum verteilen noch da war gab.
Kartoffel bekamen wir nicht. Die hatte jeder in seinem eigenen Garten.
Wir bekamen jeden Tag auch einen Liter frische Kuhmilch und fünf Liter Magermilch.
Aus der frischen Kuhmilch stellte Oma Butter oder Käse her.

Die Wohnung und der elektrische Strom waren für uns auch frei.

Zusätzlich konnte sich mein Vater jedes Jahr drei kleine Ferkel nehmen. Allerdings waren das immer welche von den zurückgebliebenen, kleinen Ferkel die die Bauer ungern kauften.
Aber wir päppelten die Ferkel alle auf.


Private Tierhaltung

Wir hatten in unserem Schuppen und Garten eine Menge Tiere für die Selbstversorgung.

So an die 30 Stück Hühner hielten wir uns. Die Eier die wir nicht selbst verbrauchten verkaufte Oma an die Schnitter in der Schnitterkaserne oder an die Knechte die über der Schmiede wohnten.
Enten, Gänse und Kaninchen ermöglichten uns eine prima Versorgung mit Fleisch.
Dann mästeten wir uns noch jedes Jahr drei Schweine die Vater vom Gut erhielt.
Eins der Schweine wurde zu Weihnachten, eins zu Ostern und eins im Herbst geschlachtet.
Das Schwein hatte dann mindestens vier bis fünf Zentner (200-250 kg) Schlachtgewicht.
Das Schwein wurde bei uns auf dem Hof geschlachtet und verwurstet.
Der Schinken und ein Teil der Würste wurden dann bei Dietrich, die eine Räucherkammer hatten geräuchert. Danach kamen Würste und Schinken in weiße Säcke die auf dem Speicher gehangen wurden. Das Speck und andere Fleisch wurde gepöckelt und kam in ein großes Holzfass mit viel Salz. Das Holzfass stand auch auf unserem Speicher.
Gurken- und Sauerkrautfass standen im Schuppen.

Das Schwein im Herbst wurde nach der Schlachtung verkauft. Dafür wurde dann Kleidung für die Jungen gekauft. Ich, als einziges Mädchen in der Familie, wurde von Oma eingekleidet.
Oma hatte das übernommen und bezahlte meine Kleidung von ihrem selbst verdienten Geld.

Eiskeller
Hinter dem Herrenhaus war ein Eiskeller aber nur für das Gutshaus. Im Winter wurde aus dem Teich an der Außenscheune, wenn das Eis schön dick gefroren war, das Eis geholt und dann in den Eiskeller gebracht wurde.

Maria Hommes geb. Schulz

Kontakt 

 

 

Von Klenz bei Teterow nach Viersen Ompert.

 

Das Dorf Klenz 1930 - 1948

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


         Mit 94 Jahren sanft eingeschlafen ohne Krankheit.

 

 

       



 

 

-6-
 Omperter

Erinnerungen

Die 50er + 60er Jahre

 

 

- 1 -
Omperter
Erinnerungen 
Kuleopa, Sandgrube, Bier

 
- 2  -
Omperter Erinnerungen 
 Hein, Milch, Bulldog

 

- 3 -
Omperter
Erinnerungen 
 Nach- Kriegszeit, Bombe

 

-4-
 Als Kriegsflüchtling  Erinnerungen

aus Klenz ins Ompert 

-5-
  Die Eisenbahn im Ummer Erinnerungen