NSU

1873 gründeten zwei innovative schwäbische Mechaniker namens Christian Schmidt und Heinrich Stoll eine Mechanische Werkstatt zur Herstellung von Strickmaschinen in Riedlingen an der Donau. Sie erkannten früh, dass im südwürttembergischem Raum, die Textilindustrie gute Chancen haben würde. Der gute Erfolg sprach für sie, doch  vertrugen sich die beiden Geschäftspartner auf die Dauer nicht so gut. So eröffnete Heinrich Stoll einige Jahre später einen eigenen Betrieb in Reutlingen und Christian Schmidt zog mit seiner "Mechanischen Werkstatt für Strickmaschinen" 1880 nach Neckarsulm. Ein wichtiges Ereignis für die Entwicklung Neckarsulms zum innovativen Industriestandort. 1884 wurde die Firma in eine AG umgewandelt. 1886 begann sie mit der Produktion der immer beliebter werdenden Fahrräder, um sich 1892 ganz aus der Produktion von Strickmaschinen, die für das Unternehmen nicht mehr lukrativ genug waren, zurückzuziehen. 1897 wurde Schmidts Firma in "Neckarsulmer Fahrradwerke Aktiengesellschaft" umbenannt. Das Unternehmen blühte, der Umsatz stieg und die Produktion von Motorrädern begann. Motorräder aus Neckarsulm wurden überall in der Welt verkauft und waren bald legendär.

Da zwischen 1907 und 1910  der Umsatz stagnierte, begann man  mit der Automobilproduktion. Den ersten Weltkrieg und die Wirtschaftskrisen danach überstand das Werk weitgehend unbeschadet. 1926 sah man sich gezwungen, mit der Schebera AG in Berlin zu fusionieren. Es folgte die Umbenennung in "NSU Vereinigte Motorenwerke AG". Jedoch gerät die neue Unternehmung durch Verluste des Berliner Werks in Schwierigkeiten. Mit Fiats Hilfe sollte das Unternehmen saniert werden. Fiat übernahm das Automobilwerk in Heilbronn und die NSU Automobil AG wurde gegründet. Ab 1927 startet auch in Neckarsulm die Fliessbandfertigung. Eine Vertriebskooperation mit den Wandererwerken in Chemnitz soll die Konkurrenzfähigkeit verbessern.

 

Die Wirtschaftskrise im Jahre 1929 machte auch den NSU-Werken schwer zu schaffen. Massenentlassungen und Kurzarbeit gehörten zum Alltag. 1932 wurde die Automobilproduktion ganz eingestellt. Erst 1933/34 in Folge gestiegener Nachfrage durch die Motorisierung der Wehrmacht für den kommenden Krieg und dem Ende der Wirtschaftskrise erholten sich die NSU-Werke. Während des 2. Weltkrieges musste die gesamte Produktion unter Einsatz von Zwangsarbeitern auf Rüstungsgüter umgestellt und mit Kriegsende die Produktion vorübergehend eingestellt werden. Das Werk wurde gegen Ende des Krieges stark zerstört. Aber noch im Sommer 1945 durfte NSU, unter Aufsicht der Alliierten, in kleinen Umfang die Produktion wieder aufnehmen. 1947 verbesserte sich die Situation des Unternehmens zunehmend. Die Motorradproduktion wurde wieder angekurbelt und Mitte der 50er Jahre stieg man mit dem NSU-Prinz in die Autoproduktion ein. Zeitweilig ist NSU der größte Zweiradproduzenten der Welt. Quickly, Max, Fox und Lux sind Modelle die Motorradgeschichte schrieben. Da die Nachfrage allmählich sank und die Produktion zu unrentabel wurde, wurde Ende der 50er Jahre zuerst die Motorradproduktion und Mitte der 60er Jahre die Fahrradproduktion eingestellt. Mit dem Wirtschaftswunder stieg der Wunsch nach einem eigenen PKW in der Bevölkerung.

eigenen PKW in der Bevölkerung.
Um mit dem wachsenden Konkurrenzdruck mithalten zu können vereinigte sich das Unternehmen 1969 mit der Autounion GmbH (Hauptgesellschafter VW) zur NSU Autounion AG, aus der dann 1985 die Audi AG, mit Sitz in Ingolstadt hervorgegangen ist. Heute zählt das Audi Werk Neckarsulm über 12.500 Beschäftigte, die hier den A6, A8 und den neuen A2 produzieren. Das Werk gilt als Alu-Kompetenzzentrum im Automobilbau.

Der Vertrieb der Neckarsulmer Motorräder wurde von eigenen Filialen übernommen. Etwa 2/3 der Produktion ging ins  Ausland, 1/3 blieb im Inland. Vor dem ersten Weltkrieg lag NSU auf Platz 1 im Export. Als  Exportschlager wurde das 1913 erstmals gebaute 3 1/2 PS Zweizylinder Motorrad mit neuartiger Schwinggabel-Hinterfederung in alle Welt verkauft. Ab 1920/21 kamen die ersten neuen Modelle nach Ende des ersten Weltkrieges auf den Markt. Zu Beginn der 30er Jahre konzentrierte NSU sich auf den Motorradbau. Ein Knüller landete NSU 1936 mit der "Quick". Es hatte einen pflegeleichten 100 ccm-Zweitaktmotor  und besaß Fahrradtretkurbeln. Insgesamt wurde sie 250.000 Mal verkauft. Mit einer Vielzahl gefragter Modelle wie die Fox, Lux, Max, Maxi, den Quickly's, den Prima-Typen, etc.  wurde NSU zu einer der größten Motorradfabriken der Welt. 1956 hielt NSU den Geschwindigkeits-Weltrekord in allen Klassen. Durch seine Sporterfolge war NSU in den Fünfzigern in aller Munde. Von NSU kamen die Weltmeister und das schnellste Motorrad der Welt. NSU-Motorräder setzten im Sport wie in der Technik Maßstäbe, die als Meilensteine in die Geschichte des Motorradbaus eingegangen sind. Es gab insgesamt 110 verschiedene Modelle. Von 1900 - 1966 wurden ca. 2,3 Millionen motorisierte Zweiräder in Neckarsulm gebaut.

1900 - 1928: NSU Einzylinder Motorräder
Ab 1900 begannen die Neckarsulmer mit dem Bau von Motorräder, ab 1903 mit Einzylindertriebwerken von 2 bis 7 PS. Stetige Neuerungen brachten funktionelle Verbesserungen und größere Bequemlichkeit. 1905 wurde erstmals die federnde Vordergabel eingeführt. Bald baute man Zündmagnete, Vergaser etc. und die NSU-Naben und -Getriebe wurden genau so berühmt wie die Motorräder. Auch im Sport gewannen die Neckarsulmer mehr und mehr Preise und Medaillen. Dennoch wurde der Ruf nach einem idealen Leichtlaufmotorrad immer lauter. Die NSU Pony mit 1,5 PS  und 48 kg wurde auf den Markt gebracht. Der Erste Weltkrieg begann und eine große Anzahl von NSU Motorrädern wurde - vom NSU Pony bis zum 8 PS Kettenmodell - an den Kriegschauplätzen eingesetzt. 

 

1904 - 1927: NSU Zweizylinder-Motorräder
Ab 1905 erschienen die ersten Zweizylindermodelle. Rennmaschinen wurden beliebt. 1909 erzielte Lingenfelder auf der Rennbahn von Los Angeles den Weltrekord (124 km/h) mit einer NSU 7 1/2 PS. Dies bildete dann auch den Auftakt des Exportgeschäftes nach USA. Große Erfolge wurden auch aus England gemeldet. Selbst in Afrika, Frankreich, Spanien, Russland und China - um nur einige zu nennen - erzielten die Neckarsulmer viele Siege.  Die Entwicklung gestaltete sich vielfältig und rasant. 1911 beispielsweise ging man vom Riemenantrieb beim Zweizylinder-Tourenmodell auf einen Kettenantrieb über.

Das Dreiganggetriebe und die Mehrscheibenkupplung gingen in Serie. 1914 entstand das größte je von NSU gebaute Motorrad mit 8 PS und 1000 ccm Hubraum. Für dieses Schwergewicht gab es dann bald einen "richtigen Beiwagen mit Phaetonkarosse". Die Idee des Dreirades erlebte  - "automäßig und motorradbillig" - erlebte mit diesem Seitenwagen ihre Verwirklichung. Nach Ende des Krieges lebte auch NSU von seinen Restbeständen. Mitte der 20er Jahre führe NSU neue Bezeichnungen für die Modelle ein. Maßgebend war jetzt der Hubraum.

 

1927 - 1941: NSU Viertakt-Motorräder
 Ende der 20er Jahre wurden die Motorräder auf den Straßen in und um Neckarsulm eingefahren. Eine enorme Belastung für den  normalen Straßenverkehr. Am 26.07.1929 wurde dann endlich die NSU Einfahrbahn mit einer Länge von 1673 m und 5 m Breite eröffnet. Es war die größte und modernste in ganz Deutschland. Mit dem englischen Chefkonstrukteur Walter William Moore fand NSU 1929 Anschluss an die Weltspitze. Moore hatte vorher für Norton gearbeitet und den legendären Königswellenmotor entwickelt. Bei NSU war er verantwortlich für die  Sportmodelle und die OSL-Reihe.

Die Buchstaben bedeuteten S = Sport, SS = Supersport, O = obengesteuert, L = Luxus, T = Touren und WH = Wehrmacht. 1938 kam NSU mit einer Zweizylinder-Kompressormaschine mit 350 ccm und zwei oben liegenden Nockenwellen zu den Rennen. Aber erst 10 Jahre brachte diese interessante Neukonstruktion NSU in alle Munde.

 

1930 - 1940 NSU Zweitakt-Motorräder
Erstmals begann man, einen Zweitaktmotor zu bauen, der wegen seines einfachen konstruktiven Aufbaus preiswert in der Herstellung war. Der neue Zweitaktmotor besaß einen Zylinderinhalt von 200 ccm und wurde dadurch in die Klasse "steuer- und führerscheinfreie Motorräder" eingestuft. Die große Wirtschaftskrise zwang NSU noch preisgünstiger zu produzieren. Mehrere Pony-Modelle mit unterschied- lichen konstruktiven Details wurden  mit einem Kraftstoffverbrauch von 2-3 Litern Benzin pro 100 Kilometer auf den Markt gebracht. 1936 präsentierten

die Neckarsulmer auf der internationalen Automobil- und Motorradausstellung in Berlin ein 100 ccm Motorrad mit Fahrrad-Tretkurbeln in Herren- und Damenausstattung. Die in Berlin spontan getaufte Quick avancierte in kürzester Zeit zum beliebtesten Volksmotorrad.

 

1945 - 1964 NSU Motorräder
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde bereits Ende 1945 die Produktion wieder aufgenommen. Es ging stetig berauf. Im Jubiläumsjahr 1948 produzierte NSU schon wieder 4500 Fahrräder und 600 Motor- und Motorfahrräder monatlich. Die NSU Fox - eine richtungweisende Neukonstruktion - wurde auf der Exportmesse in Hannover erstmals dem Publikum vorgestellt und ging 1949 in Serie. NSU setzte seine eingeschlagene Linie mit der NSU Lux und der Zweitakt-Fox in 1951 konsequent fort. 1952 sollten die NSU Max und ihre Zweitaktschwester NSU-Lux marktpolitisch den frei gewordenen Platz der robusten 251 OSL (seit 1933 70.000 mal gebaut) einnehmen und weiter ausbauen.

Albert Roder hat mit der NSU Max Motorradgeschichte geschrieben, er verzichtet auf die kostspielige Königswelle und entwickelte eine spezielle Schubstangensteuerung, die als Ultramax-Steuerung bekannt wurde.  Max und Lux stimmten im Fahrwerk völlig überein, aber auch der Motor, das Gehäuse und das Vierganggetriebe konnten auf den gleichen Vorrichtungen bearbeitet werden und ermöglichten eine enorm günstige wirtschaftliche Fertigung. Mitte der 50er-Jahre bekam das NSU-Komfort-Programm mit dem Zusatz "Super" eine neue Bezeichnung. Die sportlichen Aktivitäten wurde wieder aufgenommen. Die Rennbeteiligungen nahmen von Jahr zu Jahr zu bis man 1954 den Weltmeistertitel in den Klassen 125 und 250 ccm errang.  1956 konnten Wilhem Herz und H.P. Müller auf dem Salzsee in Utah (USA) eine ganze Reihe von Weltrekorden in verschiedensten Klassen für NSU herausfahren.

 

1950 - 1964 NSU Motorroller
Der Motorroller war für all jene wie geschaffen, die mit jedem Pfennig rechnen mussten und trotzdem die Vorzüge eine Autos genießen wollten. 1950 präsentierte NSU erstmals die NSU Lambretta ( ein Lizenzbau der italienischen Firma Innocenti) auf der Frankfurter Messe. 1954 avancierte sie zum meist zugelassenen Zweirad in der BRD. 1956 wurde sie durch die NSU Prima abgelöst. Die letzte Ausführung der Lambretta Prima wurde bis 1958 hergestellt. Am Ende dieser Entwicklung stand die Prima Fünfstern, die mit dem Urmodell nichts mehr zu tun hatte. Aus der Prima V entstand die Prima III mit 150 ccm, 1959 die Prima III K, ein 150 ccm Reiseroller.

 

1953 - 1966 NSU Moped "Quickly"
mit vollendetem 16. Lebensjahr konnte man die Quickly ohne Führerschein fahren, der Abschluss einer Haftpflichtversicherung genügte. Die Namensgebung war ein geschickter Schachzug. Die Verkleinerungsform Quickly wies auf die Ablösung der Quick durch ein Modell  mit kleinrem Hubraum hin. Gleichzeitig nutzte sie die Doppelbedeutung für den Export: quickly bedeutet im Englischen flott. Ab 1955 kamen verschiedene modernisierte Versionen der Quickly auf den Markt, doch die Verkaufszahlen gingen weiterhin zurück. 1963 wurde das Quickly Programm komplett eingestellt. Mit dem Bau des Kleinwagens NSU Prinz ging die Ära der Motorräder ihrem Ende zu.

 

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